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Tagebuch

24. Januar 2014

THESE 93 ...ruft nach Reformationen, die wir so brauchen, Transformationen, massiv.

Die ganz ganz großen Veränderungen sind damit gemeint, die Mega-Aufgaben, die wir erfüllen müssen, wenn es ein Weiterleben in unseren Gesellschaften überhaupt geben soll. 

Die Transformation des Kapitalismus? Der Ausgleich zwischen armen und reichen Gesellschaften? Der große Schritt gegen die globalen Klimaveränderungen? 

Die Verhinderung der Welt-Klima-Katastrophe ist wahrscheinlich dasjenige Thema, welches wirklich ALLE betrifft und darum eine Schlüssel-Aufgabe ist. Arme UND Reiche, Norden UND Süden, die Eigentümer der Produktionsmittel und deren Nicht-Eigentümer sind davon gleichermaßen betroffen.

Zur Dringlichkeit des Themas "Klima" hat Kofi Annan etwas Kurzes und Präzises in der "Süddeutsche Zeitung" vom 24. Januar 2014 geschrieben; Friedensnobelpreisträger Kofi Annan, ehemaliger Generalsekretär der Vereinigten Nationen.

Überschrift seines Beitrages: UNSER ALLER VERSAGEN

Daraus fünf Ausschnitte:

1.

"Kein Mensch und kein Land wird den Folgen des Klimawandels entkommen können."

2.

"Wenn es jemals ein Ziel gab, das alle Menschen, egal ob jung, alt, reich oder arm, vereinen sollte, dann ist es die Rettung des Weltklimas."

3.

"Es sind nicht mehr nur die Umweltschützer, die die Alarmglocken läuten. ... Wir haben uns auf ein schreckliches Wagnis eingelassen, bei dem die Zukunft des Lebens auf unserem Planeten auf dem Spiel steht."

4.

"Lösungen für den Klimawandel werden nicht nur in Forschungszentren und Labors gefunden, sondern entstehen auch durch den Innovationsgeist jener Menschen, die am stärksten von diesem Wandel betroffen sind."

5.

"Wir befinden uns an einem Scheideweg: Wir können jenen Weg beschreiten, der unseren Enkelkindern und den nachfolgenden Generationen ein schreckliches Erbe beschert. Auf der anderen Seite liegt die Möglichkeit, die ersten Schritte in Richtung einer gerechten und nachhaltigen Zukunft zu machen." 

 

22. Januar 2012

Ich habe an fünf Thesen Änderungen vorgenommen:

These 55 hat eine Anmerkung bekommen, ebenso These 78.

Der alte Text von These 72 ist gegen einen neuen ausgetauscht worden; und direkt anschließend kommt neu die These 73. 

Daher musste eine bisherige These wegfallen; die bisherige These 82.

 

13. 10. 2013

Dass die Welt ohne die Bergpredigt nicht regiert werden kann, habe ich in These 28 knapp behauptet. Zu knapp, vielleicht. In dem Buch "Der Schatten des Galiläers" von Gerd Theißen (2. Auflage 1987) habe ich jetzt eine kluge Einschränkung gelesen, die doch einen großen Wirkungskreis für die Bergpredigt zeigt: "Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass sie indirekt unser politisches Handeln bestimmen sollte: Eine Gesellschaft sollte so eingerichtet sein, dass in ihr das Experiment radikaler Nachfolge Jesu möglich ist. Eine Gesellschaft ist erst dann human, wenn sie ... demonstrative Liebe zu Feinden erlaubt. Sie ist human, wenn sie sorglos existierende Aussenseiter erhält. Politisches Handeln kann ... für Verhältnisse sorgen, in denen sich einzelne und Gruppen nach dieser Richtschnur orientieren können. ... Ich meine nicht, dass irgendwo in der Gesellschaft auch eine entlegene Nische für die Bergpredigt reserviert sein sollte... Vielmehr sollte die Struktur der ganzen Gesellschaft so beschaffen sein, dass das Experiment radikaler Nachfolge möglich wird." (S. 227) 

 

 

17. 9. 2013

Zu These 84 habe ich jetzt einen Brief wiedergefunden, den Albert Einstein 1936 an das Mädchen Phyllis aus der sechsten Klasse geschrieben hat - sechs Tage, nachdem Phyllis ihn gefragt hatte, ob Wissenschaftler beten. Der Hauptteil von Einsteins Brief lautet:


"Wissenschaftler glauben daran, dass sich jeder Vorgang, inklusive aller Angelegenheiten der Menschen, auf Grund von Naturgesetzen ereignet. Deswegen wird kein Wissenschaftler daran glauben können, dass der Lauf der Dinge von einem übernatürlichen manifesten Wunsch wie einem Gebet, beeinflusst werden kann ...

Gleichzeitig wird jeder, der sich ernsthaft mit Wissenschaft beschäftigt, irgendwann zu der Überzeugung kommen, dass sich in den Gesetzen des Universums ein Geist manifestiert, der dem Geist des Menschen weit überlegen ist. So führt die Beschäftigung mit der Wissenschaft zu einem sehr eigenen religiösen Gefühl, das sich allerdings gewaltig von der Religiosität eines naiven Menschen unterscheidet."

Ob das Mädchen Phyllis mit seinen 12 oder 13 Jahren etwas anfangen konnte mit dieser Unterscheidung? Wer weiß? Mir, Hans-Peter Gensichen, hat Einsteins Text geholfen, das simple "Religion: Ja oder Nein" zu überwinden.

H. P. G.

 

9. 7. 2013

Einem Leser der Thesen fehlt etwas darüber, was die Kirchen Westdeutschlands wohl aus den Kirchen der DDR übernehmen könnten - da sie ja heute in einer ähnlichen Schrumpfung stecken, die die Ost-Kirchen längst hinter sich haben.

Tja, die Antwort ist vielstimmig und nicht leicht. 

Generell sage ich ja in These 10: "Klein sein ist eine Chance." 

Und ich finde es jedenfalls gut, dass jemand die Frage nach Gutem aus den DDR-Kirchen stellt. Denn solange keiner fragt, muss natürlich die Antwort völlig ausbleiben. Und das sollte nicht passieren.

Beispielsweise wurde in den DDR-Kirchen über eine "gestufte Kirchenmitgliedschaft" diskutiert. Es sollte - neben der Vollmitgliedschaft - eine Kirchenmitgliedschaft geben, die sich auf Teilaspekte beschränkt. Beispielsweise: Menschen arbeiten im Umweltteam der Kirchengemeinde mit oder singen im Kirchenchor mit, sind aber nicht getauft.. – In Ostdeutschland gibt es viele lokale Gruppen, die „ihre“ Dorfkirche erhalten – deren Mitglieder aber gar nicht Kirchenmitglieder sind. Aber sind sie es nicht doch?

Oder ich erzähle von dem Weihnachtsliedersingen im Fußballstadion des 1. FC Union Berlin (Ostberlin). Das fing vor einigen Jahren mit 90 Leuten an, die sich am 23. 12. in der "Alten Försterei" trafen und - - - STILLE NACHT sangen. 2012 waren es 24.000. JA!!! Und sie üben jetzt schon an schwereren Sachen, wie "Es ist ein Ros entsprungen". Dazu haben sie einen Musiklehrer und einen Posaunenchor engagiert. Und der alte Pfarrer Müller ist immer dabei und betet mit ihnen und liest die Weihnachtsgeschichte. - Warum gibt es das bei keinem prominenten West-Bundesliga-Club? - Zu DDR-Zeiten hieß es über diesen Club (damals noch ganz ohne Weihnachtsliedersingen): "Nicht jeder Fan von Union ist ein DDR-Gegner. Aber jeder DDR-Gegner ist Fan von Union." (Typischer DDR-Humor; versteht nicht jeder.) Heute könnte es heißen: "Nicht jeder, der 'Stille Nacht' singt, ist Union-Fan. Aber jeder Union-Fan singt 'Stille Nacht'." Und natürlich sind 80 Prozent derer, die da mitsingen, keine Kirchenmitglieder.

Ich kann etwas anderes nennen; das kann man im Westen nicht einfach nachmachen, aber das wird im Westen auch kommen:

Westliche Nichtchristen sind oft erbitterte Atheisten, mit denen kein Gespräch möglich ist. Östliche Nichtchristen sind einfach nie mit der Kirche in Berührung gekommen. Sie sind keine Antichristen oder Nicht-mehr-Christen, sondern - nix. Sie haben keine Ahnung von Kirche, keine Ablehnung also und kein Kampf-Verhalten. Mit denen kann man als Christ - tja, z. B. "Stille Nacht" singen - oder - - - sprechen. Das geht im Osten besser als im Westen. 

Und mit Bundeskanzlerinnen und Bundespräsidenten sind die Ossis auch gerade ein bißchen im Vorsprung. Kann man auch von lernen!

H. P. G.

 

 

21. 6. 2013

Am 12. 6. 2013 hatte ich etwas über "Achtsamkeit" geschrieben, die buddhistisch eher als ein Sich-kümmern-um-sich-selbst verstanden werde - und ICH meinte, das müsse geweitet werden zu einer Aufmerksamkeit gegenüber allem in der Welt. Peinlich, peinlich; ich, der evangelische Theologe, will dem Buddhismus einen Tipp geben. Aber Buddhisten sehen das genau SO: Sich den anderen Lebewesen aufmerksam, achtsam zuwenden - und DADURCH das eigene Glück erfahren. - Ich hatte also nur das Vorurteil, die Verengung im Blick, die manche, viele Buddhismus-"Fans" haben, die aber dem Buddhismus ganz fremd ist. Pardon!

H. P. G.

 

20. 6. 2013

Jetzt kommen Rückmeldungen auf meine Thesen, die mich richtig stolz machen.

Eine Theologin, Jahrgang 1959, schreibt: "Wie klar Du die Dinge auf den Punkt bringst, wie Du festhältst an all dem, was so leise unter den Tisch gefallen ist in den letzten 20 Jahren und wie Du dabei auf dem laufenden bist, weitergedacht hast, Neues miteinbeziehst und doch auch das ganz Alte nicht aus der Acht lässt. Mich hast Du schwer beeindruckt. So etwas macht Mut, doch wieder ernsthafter bestimmte Fäden weiterzuspinnen, nicht aufzugeben."

Davon bin ICH nun wieder schwer beeindruckt.

Eine Woche vorher hatte ein Pfarrer, Jahrgang 1940, mit dem ich zwölf Jahre lang die Kanzel der Wittenberger Schlosskirche geteilt hatte, geschrieben: "Deine ewigen Themen noch einmal so auf den Punkt gebracht - ich brauche kein i-Tüpfelchen dazu zu tun, finde es in Form und Inhalt einfach genial." Diesen Kollegen hatte es - da er mich oft predigen gehört hatte - mitunter genervt, wenn ich das Thema "Umwelt" nie ausließ: "Manchmal konnte ich Deinen etwas spitzfindigen, provozierenden... Thesen nicht so gut folgen..."

Mensch, wann kommt denn nun mal der erste Beitrag, der meine Thesen richtig runtermacht?

H. P. G.

 

 

14. 6. 2013

Seit Januar 2013 können EU-Bürgerinnen und -Bürger eine Initiative zum "Bedingungslosen Grundeinkommen" unterzeichnen. Material dazu unter: www.ebi-grundeinkommen.de/material/

Ein Formular, auf dem man die Initiative unterstützen kann, unter: www.ebi-grundeinkommen.de/wp-content/uploads/2013/02/EBI-Formular.pdf

Auf meiner Internetseite "95-Thesen" spielt ja da bedingungslose Grundeinkommen eine zentrale Rolle. Die Thesen 50 bis 56 handeln nur davon!

 

H. P. G.

 

12. 6. 2013

Drei Wochen habe ich in einem "Schmerztherapiezentrum" zugebracht. Ich bin dort auf Menschen getroffen, die Krankheiten, Schmerzen von besonderer Stärke und Unerbittlichkeit hatten. In morgendlichen Schweige-Übungen lud der Therapeut uns immer wieder zu "Achtsamkeit" ein. "Achtsamkeit" ist überhaupt im Deutschen erst ein Wort geworden in den letzten Jahren / Jahrzehnten. Es kommt eher aus dem Buddhismus; und es meint eher die Aufmerksamkeit, die ich "in diesem Moment" meinem eigenen Inneren zukommen lasse. Also ich beachte beispielsweise meinen Atem, den ich ja sonst ohne besondere Beachtung eben einfach atmen lasse... Oder mein Herz, das ja auch ohne meine besondere Beachtung schlägt und schlägt...

In der These 24 heißt es: "Achtsam werden durch Einsicht / Ehrlich, freiwillig / Nicht durch Katastrophenzwang." In dieser Thesengruppe (26 bis 39) geht es um ein unendliches Leben, das wir in unserem endlichen Leben (schon) führen sollen. Eine bloß in mein Inneres horchende Aufmerksamkeit wird geweitet zu einem aufhorchend-aufmerksamen Verhalten zu meiner, in meiner ganzen Umwelt. Also zu einer weit geweiteten Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, die ich ALLEM zukommen lasse. Auch dem eigenen Inneren. Und auch dem Atem allen Lebens. Und auch dem eigenen Herzen, dem eigenen Atem.

H.P.G.

30. 4. 2013

Von diesem Tagebuch erwarte ich, Hans-Peter Gensichen, dass die 95 Thesen, die Anmerkungen zu einigen von ihnen sowie das Vor- und das Nachwort zu der Homepage besprochen, behandelt, kritisiert, verteidigt, womöglich beerdigt oder jedenfalls gegen bessere Formulierungen bzw. Gedankengänge ausgetauscht werden. Oder dass ich mich und jeden Buchstaben von www.95-thesen.net mit zusammengebissenen Zähnen gegen jede Kritik verteidige.  Aber dieses Letztere werde ich wohl eher nicht tun. Oder nur sehr ungern. Denn ein Dialog geht anders.  

Wer mir eine Mail schickt, landet damit nicht automatisch im Tagebuch. Aber ich werde Mails - wenn denn welche kommen - ernst nehmen und hier im Tagebuch kommentieren. Dabei werde ich auch halbe oder ganze Sätze oder Abschnitte wörtlich wiedergeben.

Vielleicht wird es ja eine muntere Diskussion. Oder, wie man zu Luthers Zeiten sagte, Disputation.

HPG (Hans-Peter Gensichen)